Das Konzept

 

Das Konzept ist erprobt. Jugendliche ab 13 Jahren, zumeist aus höchst problematischen Milieus, die wegen Lese- und Schreibschwächen bis zum völligen Analphabetismus, wegen Teilleistungsschwächen, Hyperaktivität oder Störungen in der Selbstwahrnehmung in keiner Regelschule oder Regelausbildung angenommen werden, wohnen und arbeiten mit den sie betreuenden Familien zusammen. Sie werden - auch ohne dass sie die herkömmlichen schulischen Voraussetzungen schon mitbringen - systematisch in praktischer handwerklicher Arbeit in der Tischlerei, der Schlosserei oder am Bau an die Grundvoraussetzungen eines Berufslebens herangeführt.

Das reicht von den Basics, morgens aufzustehen, acht Stunden am Tag in Bewegung zu sein, Kraft, Durchhaltevermögen, Disziplin, Geschicklichkeit und geistige Beweglichkeit auszubilden, über existenzielle Grundtugenden wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnung und die Einhaltung von Sicherheitsnormen bis hin zur Selbstorganisation und zur gestalterischen Umsetzung eigener Kreativität. Mit klaren Regeln, klaren Grenzen, einem ritualisierten Tagesablauf, einem verlässlichen Zusammenhang von Verpflichtungen und Konsequenzen werden allmählich Voraussetzungen geschaffen, solchen sozial sehr benachteiligten Jugendlichen einen Weg ins Arbeitsleben und in die Gesellschaft zu ebnen. 

 

Ziel des Gewerkehof ist es, den Jugendlichen Fähigkeiten zu vermitteln, die ihnen eine selbständige Lebensführung ermöglichen. Die praktische Arbeit in den Werkstätten oder am Bau hat dabei eine Schlüsselfunktion. Sie bringt den Jugendlichen relativ schnell sichtbare, greifbare und damit auch begreifbare Erfolge ihres Bemühens und macht für die Jugendlichen damit sichtbar und erlebbar, dass sie – gegen landläufige Vorurteile, die sich an ihrem Herkunftsmilieu und an ihrem Schulversagen festmachen – eben doch „zu etwas zu gebrauchen“ sind. Die Jugendlichen, um die es hier geht, sind nach dem eigenen Erleben, nicht angenommen zu sein im Elternhaus, oder nicht mitgekommen zu sein mit Gleichaltrigen in der Schule, zunächst ganz von dem Gedanken an die eigenen Wertlosigkeit erfüllt.

Für sie beginnt mit den kleinen Erfolgen in der praktischen Arbeit eine entscheidende Veränderung in der Selbstwahrnehmung; entscheidend, weil sie geeignet ist, ihre völlig resignative Grundhaltung und ihre tief empfundenen Perspektivlosigkeit zu durchbrechen.

So bringt diese Arbeit es mit sich, dass die Jugendlichen beginnen, an ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Selbstwahrnehmung zu arbeiten, ihre persönlichen Eigenschaften einzuschätzen und zu benennen, und anfangen, für sich Ziele zu formulieren.

Der Gewerkehof bietet dabei Strukturen, die die Selbstreflektion anregen und die so geformt sind, dass eine Übertragung auf gesellschaftliche Anforderungen möglich wird. Die Erzieher gestalten eine individuell fördernde Atmosphäre, um Selbsterfahrungsmöglichkeiten zu bieten, die durch gemeinsame Lebens- und Arbeitserfahrung zu einem positiven, motivierten Selbstbild bei den Jugendlichen führen.

In der gemeinsamen Arbeit in der Gruppe ist ein proaktiver Leitungsstil möglich, weil es in der Hand der Pädagogen liegt, Erlebnisse zu schaffen und zu moderieren. Die Jugendlichen können über das Betonen ihrer Stärken gefördert und über eine Erhöhung der Arbeitskomplexität gefordert werden. In dem sozialen Verbund, der mit der gemeinschaftlichen Arbeit geschaffen ist, kann sowohl gezielt dem Einzelnen, wie auch der Gemeinschaft zu Erlebnissen verholfen werden, die ganzheitliches Wachstum ermöglichen.

Jeder Mensch kann etwas, darauf baut der Gewerkehof auf. Er begegnet den Jugendlichen konstant mit der Botschaft, dass sie etwas können. Die Pädagogen vermitteln ihnen ein Gefühl dafür, dass der Mensch lernfähig ist und nahezu unbegrenzt lernen kann.

Grundannahme unseres Projektes ist, dass Jugendliche einen fest eingegrenzten Rahmen brauchen, Grenzen, gesetzt von Pädagogen, die sich als Identifikationsmodelle eignen und anbieten. Von den Pädagogen wird erwartet, eine autoritative Haltung einzunehmen, also zu fördern und zu fordern. Das geschieht nach dem Leitungsprinzip „Leading from the Front“ nach Marcinko, also nicht Befehl und Gehorsam sondern Vorgehen, Vormachen und Mitnehmen.

In dieser geschützten Erlebniswelt haben die Jugendlichen eine Chance, die nicht gemachten Selbsterfahrungen nachzuholen und auch zu erleben, dass das geht. Sie können einen verzeihenden Umgang mit sich selbst und anderen erlernen und erleben, dass sie etwas können ..... sogar etwas Besonderes.

Zusätzlich zum Arbeiten gibt es die Verpflichtung, 3 x in der Woche am Sport teilzunehmen. Ergänzend werden an Wochenenden spielpädagogische Aktivitäten angeboten. Schulunterricht durch erfahrene Lehrer in Einzel- oder Kleingruppenunterricht soll organisiert werden, um das Erlernen von Basisfähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen zu ermöglichen.